Ein Brief an die Geschäftsführung

Sehr geehrter Herr Tillmann,

nachdem meine Ehefrau an nunmehr 1656 Tagen im Demenzbereich des Antoniushauses in Lüdinghausen gepflegt wird, ist es für mich an der Zeit, so etwas wie eine Bilanz zu versuchen, in die ich Sie als Verantwortlicher für den Träger einbeziehen möchte. Natürlich sind die gesammelten Eindrücke persönlich, begreifen sich aber in ihrer Auswahl exemplarisch.

Auf einen Begriff reduziert, empfinde ich „Wärme“ am passendsten für die Atmosphäre, die dieses Heim für mich ausstrahlt. Sie hat meine Verkrampfungen des Anfangs gelöst und mir geholfen, unsere Situation anzunehmen.

Wärme als zentrale Empfindung ergibt sich spürbar aus dem Umgang der erweiterten Heimleitung miteinander: vertraut, verlässlich, in abgesprochener Aufgabenverteilung. Das wirkt sich wohltuend auf die Pflegenden, Betreuungsassistentinnen und Ehrenamtlichen aus.

Zusätzlich sind es konkrete Hilfen, die ich für mich wahrnehme:

Konkret geholfen hat mir das ausdrückliche Angebot der Heimleitung, gerade am Anfang, Fragen, Unsicherheiten oder Kritik zeitnah zu äußern. Ich habe wiederholt davon Gebrauch gemacht. Jedesmal wurde prompt und konstruktiv reagiert.

Konkret geholfen hat die generelle Bereitschaft der Heimleitung , die Angehörigen aktiv mitwirken zu lassen. Sie äußert sich zum Beispiel in der Einladung zum Angehörigenabend in der Bitte, den Satz „ Die Kunst der Angehörigenarbeit besteht darin, dass…“ vorbereitend für den Abend zu ergänzen und als Arbeitsgrundlage rückzumelden.

Konkret geholfen hat mir persönlich, dass ich mittags beim Essenanreichen mitmachen kann, dass ich mithelfen kann Ideen zu entwickeln, die vom Heim aufgegriffen und umgesetzt werden, z.B. Schattenspender im Außenbereich oder Ausgestaltung eines Lichthofes im Wohnbereich.

Konkret stehen feinfühlig gestreichelte Hände, differenzierte Beteiligungen der Bewohnerinnen und Bewohner beim Erstellen und Anheften von Fensterbildern, kunstvoll geflochtene Frisuren oder Hinweise auf notwendige medizinische Abklärungen für aufmerksame und liebevolle Zuwendung.

Konkret zeugen diverse niveauvolle musikalische Darbietungen sowie die Einladung von circa 90 ehrenamtlichen Mitarbeitenden zum gemeinsamen Essen und Trinken für perfekte Organisations- und Gastgeberqualitäten.

Konkret geholfen haben mir vor allem reflektierende Gespräche mit den Mitgliedern der erweiterten Heimleitung und den Pflegenden: bilanzierende Jahresgespräche, Gedankenaustausche über verschiedene Aspekte der Pflege, über Nöte und Befürchtungen. Daraus erwuchs die Idee, regelmäßige Themenabende als Vorträge mit Diskussionsanteilen anzubieten. Die Vorträge zum Umgang mit Demenz und zur Sterbebegleitung fanden ausgesprochenes Interesse bei den Heimbewohnern und der Lüdinghausener Bürgerschaft.

Aus alledem erklärt sich, wie es dem Antoniushaus gelingt, über die professionelle und liebevoll zugewandte Pflege der Bewohner hinaus den Angehörigen die Chance zu eröffnen, sich heimisch zu fühlen und im umfassenden Sinne Begleitete zu sein.

Dass ich dafür dankbar bin, erklärt sich von selbst.

Mit freundlichem Gruß, Michael Semmler

Angehöriger und gewähltes Mitglied im Bewohnerbeirat